Mauthausen

Bernard Maingot verstorben

25.10.2022

Überlebender des KZ Melk wurde 97 Jahre alt

Bernard Maingot verstorben
Bernard Maingot in Melk © Mauthausen Memorial / Stephan Matyus
Der KZ-Melk-Überlebende Bernard Maingot ist im Alter von 97 Jahre verstorben. Bernard Maingot wurde am 20. Mai 1925 in Angers geboren und war fast ein ganzes Jahr lang im KZ-Außenlager Melk interniert.
Im Rahmen der alljährlichen „Pilgerfahrten" der Amicale de Mauthausen hat Herr Maingot zuletzt im Jahr 2019 Melk besucht und war bei der Einweihung des fertiggestellten „Mahnmal KZ-Haltepunkt Roggendorf" als Ehrengast anwesend. Im gleichen Jahr hielt Bernard Maingot auch eine sehr persönliche und berührende Gedenkrede im Rahmen der Gedenkfeier in Melk:
 
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde!
Ende April 1944. 1033 Deportierte werden von Mauthausen nach Melk gebracht, mit dem Ziel, dort Tunnel zu graben und eine unterirdische Rüstungsfabrik einzurichten.
Ich war einer von ihnen.
Am Vortag hatten wir alle die gestreifte Häftlingsuniform angezogen, mit der Nummer, die unsere einzige Identität geworden war. Ich habe diese Häftlingsnummer nie vergessen – 62739, in schwarzer Schrift, mit dem Buchstaben F davor, im roten Dreieck der politischen Gefangenen. In diesem Konvoi nach Melk waren 900 Franzosen: Patrioten, die in allen Regionen Frankreichs gefangen genommen worden waren: Widerstandskämpfer, geflüchtete Kriegsgefangene, junge Männer, die den verpflichtenden Arbeitsdienst in Deutschland verweigert hatten ... und dann zählte nur mehr die Häftlingsnummer 62739. Diese den SS-Wärtern und den Kapos nicht fehlerfrei zu sagen oder bei einem Appell nicht darauf zu antworten, konnte mit dem Tod bestraft werden. Ab der Ankunft in Mauthausen war uns der Tod versprochen: durch den aufsteigenden Rauch aus den Schornsteinen des Krematoriums.
Das war unser Schicksal.
Aber glücklicherweise wussten wir, und das gab uns Hoffnung, dass im Westen und im Osten Menschen für die Freiheit kämpften und starben, für ihre und für unsere. Wir mussten unbedingt leben, wir durften nie schicksalsergebene Sklaven sein. Mit Hilfe der internationalen Solidarität bemühten wir uns, durchzuhalten. Indem wir so wenig und so langsam wie nur möglich arbeiteten und die nötigen Kräfte behielten, um bis zum Ende des Krieges zu überleben, von dem wir hofften, dass es sehr nahe sei. Wir, die Überlebenden, sind diejenigen, die das Glück hatten, durchzuhalten. Ende April 1945, als die Rote Armee sich Melk näherte, beschlossen die SS, das Lager zu evakuieren. Nach Ebensee, einem Nebenlager von Mauthausen südwestlich von Linz. Eine schwierige Evakuierung mit vielen Toten. Das Lager Ebensee komplett überfüllt. Keine Versorgung. Am 6. Mai 1945 ist es die amerikanische Armee, die das Lager Ebensee befreit. Wir sind frei. Der Krieg ist vorbei. Wir sind frei, aber traurig, weil es so viele Trauerfälle zu beklagen gibt!
Einige Wochen nach meiner Rückkehr nach Frankreich wurde ich vor ein Militärgericht geladen. Als ich dieser Vorladung Folge leistete, erfuhr ich, dass ich bei einer Verhandlung gegen einen deutschen Agenten der Gestapo aussagen sollte, der in Angers tätig gewesen war.
In Gegenwart dieses weißhaarigen, mageren Mannes in Gefangenenkleidung habe ich beteuert, „nach bestem Wissen und Gewissen“, dass ich den Angeklagten nicht erkennen würde und dass ich diesen Mann noch nie gesehen hätte.
Beim Verlassen des Gerichtssaals bin ich dem Angeklagten begegnet, der mit Handschellen an einen Gendarmen gefesselt war. Er blickte mir direkt in die Augen und sagte: „Danke, mein Herr, Sie sind ein gerechter Mensch.“
Ich bin ein Mensch geblieben, ganz einfach, trotz der erlittenen Qualen. Ich empfinde keinen Hass, und ich bin glücklich darüber.
Ist das nicht bereits ein Sieg?
 
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt der Familie und den Freunden des Verstorbenen.