Mauthausen

Die Mauthausen-Außenlager-Stele

Das Gedenkbüro des Mauthausen Memorials entwickelte eine einheitliche, wiedererkennbare, ikonische Kennzeichnung für sämtliche ehemalige Außenlager des KZ-Systems Mauthausen, um die ehemaligen Tatorte in einen topografischen Zusammenhang zu stellen und den Mauthausen-Konnex räumlich fassbar zu machen.

Die Mauthausen-Außenlager-Stele

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Historischer Hintergrund

Das KZ-System Mauthausen steht als Begriff für das größte ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager auf österreichischem Boden und dem damit verbundenen Schrecken und Terror, den dieses KZ von August 1938 bis Mai 1945 verbreitete. Mauthausen steht aber auch für ein umfassendes System an Außenlagern, das sich nahezu über ganz Österreich erstreckte. Im Dezember 1939 ließ die SS ein weiteres Lager in Gusen errichten, das bis Anfang 1944 als Zweiglager von Mauthausen galt. Stand in Mauthausen anfangs die Bekämpfung und Tötung des ideologischen Gegners im Vordergrund, war damit auch stets ein wirtschaftliches Interesse und die rücksichtslose Ausbeutung der Häftlinge verbunden. „Vernichtung durch Arbeit“ war die Intention der SS, die tausende Häftlinge in den Steinbrüchen Granit abbauen ließ. Todesfälle wurden billigend in Kauf genommen oder absichtlich herbeigeführt. Missliebige Häftlinge wurden oft gezielt über die so genannte „Fallschirmspringerwand“ gestoßen, oder mit Granitblöcken über die „Todesstiege“ gehetzt. Hunger, Willkür und Gewalt prägten den Alltag der Häftlinge. Viele Tausende wurden in den Gaskammern von Mauthausen und der Vernichtungsanstalt Hartheim oder auf andere Weise ermordet.

Der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel erzwang 1942 einen Funktionswandel im KZ Mauthausen. Häftlinge, darunter ab 1944 auch erstmals Frauen, wurden nun schwerpunktmäßig für die Bau- und Rüstungsproduktion herangezogen. Ab Herbst 1943 wurden Gefangene gezwungen, unterirdische Stollenanlagen zur Verlegung von Rüstungsbetrieben untertage zu errichten. Mauthausen entwickelte sich zum organisatorischen Zentrum eines komplexen arbeitsteiligen Netzes von über 40 Außenlagern, wurde aber gleichzeitig zum Tötungslager für erschöpfte und kranke Häftlinge, die aus den Außenlagern zurück in das Hauptlager transportiert wurden. Gegen Kriegsende wurden zahlreiche Außenlager aufgelassen. Das KZ Mauthausen selbst wurde dadurch verstärkt zum Zielort von Evakuierungen aus diesen und anderen frontnahen Lagern. Überfüllung, mangelnde Versorgung und grassierende Krankheiten führten in den letzten Monaten vor der Befreiung zu einem Massensterben in Mauthausen.

Am 5. Mai 1945 befreite die US-Armee Mauthausen. Von den insgesamt etwa 190.000 Gefangenen des KZ Mauthausen und seiner Außenlager waren in den sieben Jahren seines Bestehens mindestens 90.000 Menschen zu Tode gekommen.


Die einheitliche Kennzeichnung der ehemaligen Tatorte – die Außenlager-Stele

„Mauthausen“ zu begreifen, heißt, das System Mauthausen mit seinen mehr als 40 Außenlagern zu verstehen. Allzu lange war die Aufarbeitung der KZ-Verbrechen im Komplex Mauthausen auf das Hauptlager im Ort Mauthausen selbst beschränkt, so auch das Gedenken an dessen Opfer. Ein Gedenken an die Opfer der vielen Außenlager, die im Zuge des fortschreitenden Krieges für die Rüstungsindustrie der Nationalsozialisten immer wichtiger wurden, ist kaum präsent. Dass sich die KZ-Verbrechen über nahezu ganz Österreich erstreckten, – sich Mauthausen sozusagen „vor der Haustüre“ befand und befindet – ist der Öffentlichkeit kaum bekannt. An vielen einstigen Tatorten fehlen jegliche Erinnerungszeichen oder Informationen, die es Außenstehenden ermöglichen würden, einen Mauthausen-Konnex herzustellen.

Das Gedenkbüro des Mauthausen Memorials entwickelte daher gemeinsam mit lokalen Gedenkinitiativen eine einheitliche, wiedererkennbare, ikonische Kennzeichnung für sämtliche ehemalige Außenlager des KZ-Systems Mauthausen, um die ehemaligen Tatorte in einen topografischen Zusammenhang zu stellen und den Mauthausen-Konnex dadurch räumlich fassbar zu machen.


Die Symbolik der Außenlager-Stele

Die Gestaltung dieser Kennzeichnung soll einen starken Wiedererkennungseffekt aufweisen und der ernsten Thematik entsprechend Ausdruck verleihen. Die schließlich gewählte, sich wiederholende Grundform der Kennzeichnung ist dem so genannten „Häftlings-Winkel" entlehnt, der KZ-Häftlinge entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie kennzeichnete, und der seit 1945 auf zahlreichen Denkmälern und Erinnerungszeichen Gebrauch findet.

Nicht nur an der Gedenkstätte Mauthausen selbst, sondern an jedem Ort eines ehemaligen Außenlagers soll auf das gesamte Außenlagersystem referenziert werden: Die „Außenlager-Stele zeigt an jedem Ort Richtung und Entfernung sämtlicher übriger Außenlager sowie des Stammlagers Mauthausen an. So gleichen sich sämtliche Stelen, auch wenn sie sich ortsspezifisch im Detail unterscheiden. Ein Verweis auf das Mauthausen Memorial und auf lokale Gedenkinitiativen liefert dazu die nötigen historischen und administrativen Informationen. Die Außenlager-Stele macht auf diese Art nicht nur die Komplexität des KZ-Systems Mauthausen sichtbar, sondern zeichnet auch Deportationswege von KZ-Häftlingen nach.

 

Jedes Prisma steht für ein Außenlager des KZ-Systems Mauthausen; © Mauthausen Memorial / Stephan Matyus


Werdegang, Projektentwicklung

Das Mauthausen Memorial ist per Gedenkstättengesetz nicht nur für die KZ-Gedenkstätten Mauthausen, Gusen, Ebensee und Melk, und in weiterer Folge Loibl-Nord, zuständig, sondern auch für die Wissensvermittlung und Wahrung des Opfergedenkens an den übrigen, ehemals insgesamt über 40 Außenlagern des KZ-Systems Mauthausen. Das Gedenkbüro Mauthausen hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Idee einer Kennzeichnung in einem Beteiligungsprozess mit Lokalinitiativen, zu entwickeln. Während der Corona-Pandemie wurden lokale Initiativen und Ansprechpartner an allen Orten ehemaliger Außenlager in einer online-Umfrage befragt. Anschließend wurden Workshops mit lokalen Gedenkinitiativen im Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Mauthausen abgehalten und Critical Friends aus den Bereichen Geschichte, Literatur, Architektur und Kunst zurate gezogen. Schließlich wurden Prototypen der Außenlager-Stelen für die Standorte Mauthausen und Melk im Maßstab 1:1 gebaut und in Mauthausen und Wien der Öffentlichkeit präsentiert.

Das Ergebnis dieses Beteiligungsprozesses ist die „Außenlager-Stele“, eine mehr als vier Meter hohe Säule aus übereinander gestapelten dreiseitigen Betonprismen, die die Ortsnamen der Standorte der ehemaligen Außenlager sowie Mauthausen selbst sowie die Entfernungen zum Aufstellungsort anführen. Die jeweiligen Richtungen der einstigen Außenlager werden durch die Ausrichtung der Spitze des jeweiligen Betonprismas angegeben. Die topografischen Details unterscheiden die Stelen der unterschiedlichen Standorte, auch wenn sie sich in ihrer Grundform gleichen.

Für die Planung zeichnen das Gedenkbüro der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Architekt Christoph Wassmann (Wien) und Statiker Wilhelm Luggin (Wien) verantwortlich, die Umsetzung erfolgte durch die in Wien ansässigen Bildhauer Mischa Guttmann und Roman Spiess sowie den Baumeister Andreas Schnabl aus Melk und mit tatkräftiger Unterstützung durch Angehörige der Birago-Pionier-Kaserne, Melk.


Erste Umsetzung 2022/2023

Aus Anlass des 60-Jahre-Jubiläums der Einweihung der KZ-Gedenkstätte Melk, NÖ, am 13. März 1963 wurde Melk als erster Aufstellungsort gewählt. Die Außenlager-Stele fungiert an diesem Aufstellungsort als Bindeglied zwischen der bestehenden KZ-Gedenkstätte Melk im ehemaligen Krematoriumsgebäude und dem „Objekt 10“ am Areal der Birago-Kaserne, einst Häftlingsunterkunft, dessen 1. Stock künftig vom Mauthausen Memorial museal genutzt werden wird.

Die Enthüllung der ersten Außenlager-Stele wird im Rahmen der Befreiungsfeier an der KZ-Gedenkstätte Melk am 8. Mai 2023 stattfinden.

Unser Dank gilt insbesondere Kommandant Michael Fuchs, Baumeister Major Alexander Lechner, OStWm Martin Gruber und Kranfahrer Gregor Bauer von der Birago-Pionier-Kaserne Melk, Alexander Hauer vom Verein MERKwürdig, Willhelm Luggin, Christoph Wassmann, Mischa Guttmann und Roman Spiess.

Enthüllung der 1. Außenlager-Stele an der KZ-Gedenkstätte Melk am 8. Mai 2023; © Mauthausen Memorial / Stephan Matyus


Projektbeteiligte

Konzeption: Gedenkbüro der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, DI Ute Bauer-Wassmann, Mag. Stephan Matyus

Beratende Mitwirkung/Critical Friends: Univ.-Doz. Dr. Bertrand Perz, Univ.-Doz. Dr. Heidemarie Uhl, Mag. Arch. Bernhard Denkinger, Mag. Minna Antova, Alex Jokel, Dr. Wolfgang Quatember, Dr. Hannes Koch, DI Willi Ottinger, Dr. Thomas Hönigmann, Martha Gammer, Mag. Martin Kranzl-Greinecker, Mag. Alexander Hauer, Dr. Christian Rabl
Architektur: Arch. DI Christoph Wassmann, Wien                                                                                                                                                                                                                                                                                     

Statik: DI Dr. Willi Luggin, LUGGIN - Ziviltechnikergesellschaft m.b.H., Wien                                                                                                                                                                                                                                        -

Umsetzung: Baumeisterarbeiten: BM Ing. Andreas Schnabl, Bauhandwerk Schnabl, Melk

Bildhauerarbeiten und Montage: Mischa Guttmann und Roman Spiess, Atelier/Kunstkanal, Wien, BK BetonSTEINwerk, Forchtenstein, OStWm Martin Gruber und Gregor Bauer, Birago Pionier-Kaserne, Melk

Bauarchäologische Begleitung: Dr. Thomas Hönigmann, Wien
Projektmanagement: DI Ute Bauer-Wassmann, KZ-Gedenkstätte Mauthausen


Schritte zur Umsetzung einer weiteren Außenlager-Stele

1. Kontaktaufnahme mit Gedenkbüro des Mauthausen Memorial (MM):

DI Ute Bauer-Wassmann und Mag. Stephan Matyus
Tel: +43 1 376 3000-118 bzw. -117
E-Mail: ute.bauer-wassmann@mauthausen-memorial.org, stephan.matyus@mauthausen-memorial.org

2. Festlegung eines Bauplatzes und Kontaktaufnahme mit Eigentümer*in

3. Terminplanung (Vorbereitung, Umsetzung, Enthüllung/Präsentation)

4. Klärung der Zuständigkeiten und der vertraglichen Ausgestaltung

5. gemeinsame Festlegung des Impressums (Errichterangaben und Verweise auf Stele)

6. Ablauf Umsetzung:

a. Einreichung beim Bauamt

a. Herstellen eines Fundaments und Montieren der zentralen Stahlsäule durch Baumeister

b. Abnahme Statiker

c. Produktion, Lieferung und Montage der Betonprismen durch Bildhauer

d. Gestaltung Außenanlagen, Erdarbeiten, Begrünung durch Baumeister

7. Veranstaltungsplanung und ÖA, Enthüllung und Präsentation für Öffentlichkeit